
Der Bitcoin ist vermutlich die bekannteste Implementierung einer Blockchain-Technologie. Bei Blockchain geht es aber um viel mehr als um digitales Geld. Es geht darum, ein Vertrauen in Daten zu gewährleisten, eine Unveränderbarkeit von Daten sicherzustellen und um ressourcenschonende, dezentrale Speichersysteme bzw. Netzwerke. Alle drei Eigenschaften ermöglichen, dass Daten zukünftig wie ökonomische Güter gehandelt werden könnten. Vielleicht sogar eigenständig zwischen den eigenen Bearbeitungsmaschinen.
Um diesem Schritt näher zu kommen, wurde am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen das Industrial IOTA Lab Aachen (IILA) gegründet. IOTA ist dabei eine Blockchain-ähnliche Technologie, welche jedoch ohne Blöcke und ohne Chain auskommt. Welche Vorteile das bringt, erklärt der Leiter des IILA Dr. Daniel Trauth.
Das Industrial IOTA Lab Aachen
Das Industrial IOTA Lab Aachen ist die Bezeichnung eines Pilotprojekts am Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen University. Es ist Teil der am WZL etablierten Digitalisierungsstrategie, wo u.a. auch der von Feintool gesponserte Industrial Internet of Things Hackathon im Januar 2017 durchgeführt wurde. Das IILA dient als geschützter Bereich mit explizit gelebter Fehlerkultur, in dem sehr junge Technologien und risikohafte Machbarkeitsstudien losgelöst vom universitären Forschungs- und Projektalltag erprobt bzw. durchgeführt werden können. Es wurde gegründet, um klassische Projektmanagementstrukturen herauszufordern und in interdisziplinären Teams zukunftsweisende Fragestellungen zu klären. So bietet es studentischen Hilfskräften, Abschlussarbeitern, Doktoranden und Industrievertretern eine formlose Plattform rund um die Themen Künstliche Intelligenz, Industrial Internet of Things, Internet of Production, Maschinenkommunikation und Maschinenökonomie, jeweils bezogen auf industrielle Fragestellungen der Produktionstechnik. Hierfür stellt das WZL seinen Maschinenpark am Standort Rotter Bruch zur Verfügung, siehe Video.
Potenzial von IOTA beim Feinschneiden
Gegenstand der ersten Machbarkeitsstudie ist die Technologie Feinschneiden auf einer Feintool XFT 2500 speed der Fa. Feintool. Die Machbarkeitsstudie hat zum Ziel, für jedes gefertigte Schnittteil einen fälschungssicheren digitalen Zwilling über eine gesicherte Netzwerkverbindung im IOTA-Netzwerk abzuspeichern. Der digitale Zwilling kann über eine Webseite aufgerufen werden und dessen Datenintegrität geprüft werden. Die Prüfung der Datenintegrität stellt sicher, dass der Datensatz nicht manipuliert wurde und schafft somit Vertrauen in das Datum selbst.
Hintergrund der Machbarkeitsstudie ist, dass feingeschnittene Bauteile nur in der Theorie identisch sind. In der Realität gleicht kein Teil dem anderen, da weder der Schnittzeitpunkt noch der Schnittort identisch sein können. Dehnungen im Werkzeug, Temperaturänderungen über die Zeit oder Verschleiß der Werkzeuge machen es unmöglich, von einem auf alle Teile zu schließen. Zwar sind diese immer noch innerhalb der Toleranz, aber gerade jene Teile, welche die Grenzen des Toleranzbereichs tangieren, können in nachfolgenden Bearbeitungsschritten zu Problemen führen. Vor diesem Hintergrund bietet ein digitaler Zwilling des Schnittvorgangs das Potenzial, jedes Teil im Nachgang individuell zu behandeln oder in vertretbare Cluster zu sortieren, deren Bearbeitungsstrategie auf die Bauteileigenschaften angepasst ist.
Nachfolgendes Video zeigt, wie beispielweise 500 Feinschneidteile während des Feinschneidens digitalisiert wurden und die maximale Stempelkraft, der maximaler Stempelweg, der Werkstückwerkstoff, der Zeitstempel und die Bauteil-ID verschlüsselt und sicher in das IOTA-Netzwerk geladen wurden:
Datenakquise beim Feinschneiden
Zur Datenerfassung wurde ein zweifach fallendes Feintool Werkzeug mit piezoelektrischen Kraftsensoren im Bereich des Niederhalters, des Stempels und des Gegenstempels versehen. Für den Niederhalter wurde der Typ Kistler 9021A, für den Stempel Kistler 9041A und für den Gegenstempel Kistler 9031A verwendet. Weiterhin wurde der Laborladungsverstärker Kistler LabAmp 5167A in Verbindung mit der Software LabVIEW 2018 von National Instruments verwendet.
Versuchswerkzeug mit integrierter Messtechnik zur Datenakquise für die DatenanalyseDas IOTA-Netzwerk
Mithilfe einer Software wurden aus den Zeitreihendaten für die Werkzeugkräfte jeweils die maximalen Beträge extrahiert und diese dann an das IOTA-Netzwerk angeheftet. Jedes Bauteil ist folglich eine Transaktion im IOTA-Netzwerk. Das IOTA-Netzwerk wächst schlauchartig mit der Zeit. Ein Vorteil des IOTA-Netzwerks ist, dass das Netzwerk schneller wird, je mehr Teilnehmer existieren. Das folgende Video zeigt die zum Zeitpunkt des Feinschneidens angehefteten Transaktionen bzw. Bauteile. Einmal im IOTA-Netzwerk bestätigte Transaktionen sind für immer dort abrufbar.
Nutzerfreundliches Dashboard – Der Anwender im Fokus
Das Anheften von Transkationen an das IOTA-Netzwerk ist das eine, die Extraktion der Daten aber das andere. Hierfür wurde ein Dashboard entwickelt, dass die gespeicherten Transaktionen in Abhängigkeit vom Standort und Zeitfenster visualisieren kann. Bei der Entwicklung des Dashboards steht der Anwender im Fokus, um sämtlich Daten anwenderorientiert in einer Plattform zur Verfügung zu stellen.


Weiterhin ist es möglich, die Integrität der Daten sicherzustellen. Das ist deshalb wichtig, weil im IOTA-Netzwerk nicht das Datum selbst, sondern nur eine Signatur des Datums gespeichert wurde. Werden also die Daten manipuliert, z. B. weil jemand manuell den Werkstofftyp abändert, so stimmt die Signatur des Datums und die Signatur im IOTA-Netzwerk nicht mehr überein.

Ausblick – M2M mit Integration des digitalen Zwillings
In zukünftigen Arbeiten will das IILA den gespeicherten Datensatz weiter ausbauen. Es ist geplant, jene Daten, die für den Aufbau und die Durchführung einer Finite-Elemente-Simulation notwendig sind, separat zu speichern und eine gesicherte Maschine-zu-Maschine-Kommunikation zu einem FE-Server aufzubauen. Dann nämlich würde es gelingen, zusätzlich zum digitalen Zwilling über die Maschinendaten auch einen digitalen FEM-Zwilling abzuspeichern. Die FEM ermöglicht es nämlich, physikalische Zustandsgrößen zu simulieren, welche nicht experimentell gemessen werden können. Neben geometrischen Daten lägen dann auch erstmals Spannungen, Dehnungen und Temperaturen für jedes Schnittteil vor.
Exkurs – IOTA im Vergleich zu Blockchain
Das IOTA-Netzwerk ist eine Entwicklung der gemeinnützigen IOTA Stiftung in Berlin. Im Unterschied zur Blockchain-Technologie ist das IOTA-Netzwerk auf einem gerichteten azyklischen Graphen aufgebaut. Das bedeutet, dass Transaktionen nicht erst in Blöcken gesammelt werden müssen, bevor sie an die bestehende Kette aus Blöcken angeheftet werden können. Das Anheften von ganzen Blöcken ist nämlich deutlich rechenintensiver als das Anheften von nur einer Transaktion. Daraus ergeben sich die Vorteile, dass IOTA gegenüber Blockchain kostenfreie Transaktionen ermöglicht. Das Mining, wie es beim Bitcoin üblich ist und bis zu mehreren Stunden, Tagen und teilweise Wochen dauern kann, entfällt, und somit auch die Mining-Gebühr.